Mit den Augen eines Frosches gesehen, sieht die Welt ganz anders aus. Dackel werden zu bedrohlichen Monstern, Wiesen werden zu fast undurchquerbaren Wäldern. Mehr als 80 Fotografen von sieben Fotoclubs im Main-Taunus-Kreis haben für die MTK-Fotoschau das Thema „Froschperspektive“ aufgegriffen.

 

Liederbach. 

Der Frosch schaut von unten hinauf. Auf Hochhäuser und Wendeltreppen, Bäume und Blumen, auf die ganze Welt, immer von unten hoch. Die Perspektive ist faszinierend. Alles wirkt noch viel größer und weiter. Hartmut Ambergers Treppenaufgang in Lanzarote hebt sich grafisch vor blauem Himmel mit zarten Schäfchenwolken ab. Frank Ickstadts Blindschleiche wird in der Begegnung mit dem Frosch zum Riesenmonster. Die Lippen des Pferdes, die Welfhard Niggemann fotografiert hat, greifen zwar nur nach ein paar Grashalmen, aber als Frosch könnte man schon in die Bredouille kommen, wenn man dazwischen gerät.

Es sind tolle Motive, die die Fotografen von sieben Fotoclubs im Main-Taunus-Kreis für die mittlerweile achte MTK-Fotoschau gewählt haben. Dabei geht es aber nicht nur darum, den Blick für das Außergewöhnliche zu haben, sondern ganz nebenbei auch noch richtig zu belichten, scharf zu stellen, Wert auf Details zu legen und vielleicht sogar das Gewöhnliche in neues Licht zu setzen. Eine gute Kamera ist von Vorteil, aber nur die halbe Miete. Wobei die Geräte natürlich technisch immer besser werden. „Mittlerweile haben die so 40 Millionen Pixel“, so Welfhard Niggemann. Die dadurch erreichte Detailtreue kann bisweilen zu Irritationen führen, wie Leonhard Kießling beichtet. Er hat bei der Luminale in Frankfurt den Tower 185 fotografiert, der als „Hau-den-Lukas“ inszeniert war: Schlug man unten mit einem Hammer auf einen Knopf, dann sauste am Hochhaus das Licht nach oben. Tolle Aufnahme. „Und dann habe ich das Bild betrachtet und dachte, das hat Flecken oder Bildrauschen. Aber nein, das waren die Sterne“, grinst er.

Gerhard Jäger hat einen fotografischen Ausflug in seine alte Heimat Masuren gemacht und zeigt im filigranen Blütenbild auch, dass Licht Materie zu verändern vermag. Die Blüten wirken, als leuchteten sie zerbrechlich aus sich selbst heraus. Heidemarie Seelig hat einen frechen Esel in ihr Weitwinkelobjektiv blicken lassen, Kurt Schaupert hat seinen Hund Wastel im ersten Schnee dokumentiert. Rennt der Hund lange genug herum, sammeln sich in den Hundehaaren kleine Schneebällchen.

Dazwischen hängen auch Bilder, die sehr wohl auch ein Frosch gesehen haben könnte – aber sicherlich von einem höheren Standpunkt aus, als den, den er für gewöhnlich einnimmt: Bilder aus der gewohnten Perspektive. Hans-Joachim Alberts Damentrilogie,

Dieter Brauns faszinierende Rocklady in einer Kirche, bestechend scharf. Auf einem Foto von Wolfram Bleul wird ein Blümchen gleich von einer Schuhsohle zerdrückt, bei Edith Wohlfahrt hat ein hübscher Papageientaucher den Schnabel voll mit Baumaterial fürs Nest.

Heinz Seelig hat Rentiere im Schnee erwischt und Heidemarie Seelig junge Braunbären beim Herumtollen. Und was sieht der Frosch, wenn er eine Freund betrachtet? Einen Frosch. Besser ins Bild setzen kann man den grasgrünen Märchenprinzen im Froschgewand wohl kaum, als es Günter Oberländer gelungen ist.

Die Froschperspektive ist eine dankbare Vorgabe für spannende Aufnahmen. Nur die Menschen sollte man nicht von unten, aus der Froschperspektive fotografieren, wenn man möchte, dass sie gut aussehen. „Es heißt ja immer, Aufnahmen von unten lassen einen majestätisch wirken, aber ich finde, das sieht immer unvorteilhaft aus“, hat Bürgermeisterin Eva Söllner bei der Ausstellungseröffnung ganz richtig festgestellt.

Allseits bedauert wurde wieder, dass die Bilder nur zwei Tage zu sehen waren. In dieser kurzen Zeit kann man die üppige Schau in ihrer großen Vielfalt kaum erfassen. Bilder anschauen, das ist ein wenig wie Parfumschnuppern: Irgendwann erlahmt der Sinn. Dann braucht man eine Pause, bis man wieder aufnahmefähig ist. Man könnte also durchaus über einen längeren Zeitraum jeden Tag in die MTK-Fotoschau gehen und würde immer neues Sehenswertes entdecken. Doch in der Liederbachhalle, wo die Schau zum sechsten Mal gastierte, kann die Ausstellung nicht länger stehenbleiben. Dafür sind die Ausstellungsbedingungen hinsichtlich Licht und Stellfläche im Vergleich zu manchem Rathausfoyer deutlich besser..

„Wer macht heute überhaupt noch ein Foto?“, hatte Welfhard Niggemann, Vorsitzender des Fotoclubs Liederbach zur Eröffnung als Frage in den Raum gestellt. Meist würden nur Familienbilder gemacht oder Selfies, sprich Selbstporträts mit der Handykamera. Es werde mehr mit dem Handy als mit dem Fotoapparat fotografiert. So könne man froh sein, dass es noch Menschen gibt, die die echte Fotografie hochhalten und die Bilder auch tatsächlich noch auf Papier abziehen. Die meisten Fotos würden vermutlich auf dem Handy oder am Bildschirm betrachtet, dabei gelange ein Foto erst als Abzug auf dem Papier zu wahrem Dasein.

Von webmaster