Vor 40 Jahren trafen sich Hobbyfotografen und gründeten den Liederbacher Fotoclub. Erst arbeiteten sie analog. Die Digitalisierung beeinflusste auch die Liederbacher Fotokünstler. Heute steckt viel technisches Kalkül hinter anscheinend zufällig entstandenen Schnappschüssen.

Liederbach. 

Die Türen des Liederbacher Rathauses öffnen sich in den Abendstunden für Freunde der Fotokunst. Gäste verteilen sich über drei Etagen. Manche staunen, andere schauen neugierig und mit versiertem Auge auf gestochen scharfe Fotoaufnahmen. Die sonst eher kahlen, weißen Rathauswände sind an diesem Abend bunt und lebendig.

Der Fotoclub Liederbach feiert sein 40-jähriges Bestehen und hat aus diesem Anlass eine Ausstellung organisiert. „Technisch hat sich auf dem Gebiet der Fotografie vieles geändert“, erklärt Welfhard Niggemann. Die Anzahl der Mitglieder ist jedoch nahezu gleichgeblieben. Welfhard Niggemann ist seit 1980 Mitglied der Amateurfotografen. Seit 23 Jahren ist er Erster Vorsitzender des Fotoclubs. Die knapp 20 Fotografen drücken jeden Dienstag im Liederbacher Haus der Vereine auf den Auslöser und wissen es zu schätzen, dass die Gemeinde ihnen entsprechende Räumlichkeiten stellt. „Wir haben eine Dunkelkammer, einen Vorführraum, einen PC, einen Beamer, die Überblendanlage und vieles mehr“, freut sich der Vorsitzende.

Enormer Wandel

Auf dem Gebiet Fotografie sei der technische Wandel enorm, weiß Niggemann. „Früher haben wir noch analog gearbeitet. Heute geht alles digital.“ Dieser Herausforderung stellen sich die Clubmitglieder. In der aktuellen Fotoausstellung werden 56 unterschiedliche Werke präsentiert. Motivwahl, Einstellung, Belichtung und Entwicklung der Fotokunst unterscheiden sich bei allen Ausstellern.

„Die Zeiten der Agfa Clack sind lange vorbei“, sagt der Vorsitzende der Hobbyfotografen. Auch er habe die Agfa Allzweckwaffe der 60er Jahre noch in seiner Privatsammlung. „Mit ihr begann mein Hobby“, erinnert er sich.

Auch Leonhard Kießling, eines der ausstellenden Mitglieder des Fotoclubs, begann seine Amateurkarriere mit dem heutigen Vintage-Gerät in seiner Heimat Goldkronach, Oberfranken.

Futuristische Bilder

Während der Schulzeit entwickelte sich die Passion. Mittlerweile fotografiert er seit 55 Jahren und ist der Tropfenfotografie verfallen. Zehn futuristisch anmutende Tropfenbilder bilden einen wesentlichen Anteil der Jubiläumsausstellung.

Kießlings Fotokunst hat experimentelle Züge und authentische Plastizität. Die für seine Tropfen notwendigen Flüssigkeiten sind gefärbt oder mit Blitzlichtfiltern beleuchtet. Die Werke erinnern an Momentaufnahmen physikalisch-chemischer Experimente. Kießlings Beruf als studierter und promovierter Computerchemiker spiegelt sich in den Fotografien wider. Hochtechnisierte Arbeitsprozesse vermitteln auf dem Papier den Eindruck anscheinend zufälliger Schnappschüsse. Doch jeder Schritt ist geplant und benötigt mehrere Anläufe.

Steuerungsgeräte, Magnetventile, Computer und Mikrocontroller sind nur ein Bruchteil der technischen Raffinessen, die Kießling für seine „Ballett“ betitelten Fotografien einsetzt. Tänzerisch umspielen sich Flüssigkeiten und schweben anscheinend durch die Luft.

„Es gibt einige Tropfenfotografen, die sehr professionell arbeiten. Ich habe mich von Markus Reugels inspirieren lassen“, erklärt Kießling.

Koryphäe auf dem Gebiet

Seit 2008 ist er Mitglied im Fotoclub. Er lobt: „Man hilft sich gegenseitig, gibt sich Tipps und veranstaltet Ausstellungen.“ Für die Jubiläumsausstellung habe er sich den Rat eines österreichischen Profis eingeholt. „Daniel Nimmervoll ist eine wahre Koryphäe auf dem Gebiet der Tropfenfotografie. Glücklicherweise wohnt er in der Nähe meiner Enkelin“, erklärt Kießling. Dank Nimmervolls Unterstützung sind Leonhard Kießlings Werke zu komplexen Wassergebilden geworden, die mühelos durch das Bild tanzen.

Monika Braun, selbst lange Zeit aktive Amateurfotografin und Besucherin der Ausstellung, ist beeindruckt. „Das ist eine ungewöhnliche Technik, die man nicht überall findet. Es geht nicht nur um das gute Auge. Um solche Fotos anzufertigen, benötigt man viel technischen Sachverstand.“

Die Jubiläumsausstellung des Fotoclubs im Rathaus, Villebonplatz, kann noch bis Mittwoch, 7. November, zu den Öffnungszeiten besichtigt werden. Diese findet man täglich in unserer Termin-Rubrik auf zweiten Seite des Main-Taunus-Teils. Weitere Auskünfte zur Arbeit des Fotoclubs erteilt Vorsitzender Welfhard Niggemann unter der Telefonnummer (0 61 96) 2 76 87.

12.10.2018 VON ESTHER FUCHS

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